Articles and Reviews

"Fachkundige Ackersleute und qualifizerte Handwerker," by Ernst Mettendorf,
Nord-Amerikanische Wochenpost, (25 December 2010)
(review of: The German Element in the Northeast)


Bis vor hundert Jahren waren es noch sehr viele Deutsche gewesen, die nach Amerika gekommen sind, verglichen mit dem winzigen Häuflein, das wir heute erwarten können. Es lag zum Teil an einem Buch, das der Jurist und Mediziner Gottfried Duden über Missouri geschrieben hatte. Einer der von den übertriebenen Schilderungen Dudens angelockt wurde, war der junge Jurist Gustav Körner. Als er bemerkte, dass man in Missouri Sklaven hielt, so wechselte er seinen Wohnsitz nach Belleville in Illinois. Von nun an entwickelte sich sein Lebenslauf zu einer typischen amerikanischen Erfolgsgeschichte. Gebürtig 1809 in Frankfurt am Main, studierte er Rechtswissenschaft an der Universität in Jena, wonach er in Heidelberg die Doktorwürde erwarb. Zurück in seiner Vaterstadt Frankfurt beteiligte er sich an der fehlgeschlagenen Revolution von 1833. Um der drohenden Verhaftung zu entgehen, musste er Deutschland verlassen und reiste über LeHavre nach Amerika. Körners Kenntnisse in der englischen Sprache waren begrenzt auf das, was er in der Schule gelernt hatte. Nach seiner Ankunft in der Neuen Welt vervollständigte er diese und studierte noch für zwei Jahre amerikanische Gesetzeskunde, so dass er sich in Belleville als Rechtsanwalt betätigen konnte.

Man nannte Belleville die "lateinische Kolonie", weil hier geflüchtete deutsche Wissenschaftler ansässig waren, die zwar gut lateinisch sprachen, aber nur wenig von Landwirtschaft verstanden. Körner wurde 1842 in das Parlament des Staates Illinois gewählt und 1845 zum Berufungsrichter ernannt. Als nächstes folgte seine Wahl zum Vizegouverneur des Staates Illinois. Nach seinem Eintritt in die gerade gegründete Republikanische Partei unterstützte er die Wahl Abraham Lincolns zum Präsidenten der Vereinigten Staaten. Er wurde zu einem der engsten Vertrauten des Präsidenten, was zu seiner Ernennung zum U. S. Botschafter in Spanien führte.

Nach einer langen Karriere im öffentlichen Dienst zog er sich vollkommen zurück von seinen politischen Ämtern und beschäftigte sich ausschließlich mit der Fertigstellung seiner Autobiographie und der Geschichte des "deutschen Elements" in den Vereinigten Staaten. Gustav Körners Buch erschien 1880 zuerst in deutsch und wurde in Cincinnati verlegt. Es war die allumfassende Geschichte der Deutschen in Amerika. Es handelte sich um einen dickleibigen Wälzer ohne alphabetisches Inhaltsverzeichnis, so dass es als Nachschlagewerk schwer zu handhaben war. Heute ist es hoffnungslos vergriffen und nur noch in größeren Bibliotheken vorhanden. Dr. Don Heinrich Tolzmann hat in den vergangenen Jahren bereits zwei Kapitel dieses Werkes über Illinois und Missouri als handliche kleinere Búnde in englischer Sprache herausgebracht.

Sein neues und nun vorliegendes Buch umfasst die Geschichte der Deutschen im Nordwesten des Landes: Pennsylvania, New York, New Jersey und New England. Da Körner selber erst 1833 nach Amerika gekommen ist und 1896 gestorben ist, so lesen wir darum hauptsächlich über seine eigenen Zeitgenossen wúhrend des 19. Jahrhunderts. Körner war aber ein aufmerksamer Beobachter dieser Epoche gewesen, als die europäische Masseneinwanderung einsetzte und in Deutschland die nächste Revolution von 1848 stattfand. Während nun die fähigsten Köpfe dieses Umbruchs nach Amerika kamen, wurde Körner selber mit vielen dieser Revolutionäre bekannt. Weil er sich stets im Mittelpunkt des politischen Geschehens befunden hatte, war er darum wie kein anderer fähig, dieses biographische und historische Material zusammenzutragen.

Körner betrachtete sein Buch als Geschichte der Deutschen in Amerika und inwieweit diese die amerikanische Öffentlichkeit beeinflusst haben. Seine Absicht war es nicht, eine Chronik der deutschen Einwanderung zu schreiben, so wie es andere Autoren vor ihm getan hatten. Er begann sein Werk mit Pennsylvania, dem Staat mit der größten Anzahl von deutschen Bewohnern. Er selber schätzte ihre Zahl auf 129,000 in den Jahren, als sein Buch entstand. Gemeint waren die in Deutschland geborenen und ihre Nachkommen. Es ist eine Tatsache, so stellte er einleitend fest, dass die Amerikaner nicht nur in Pennsylvania, sondern überall im Lande viel von den Pennsylvanier Deutschen gelernt haben, besonders in Bezug auf den Ackerbau, den Frucht- und Gemüseanbau sowie die Rinderzucht, auch nicht zu vergessen von deren rechtschaffener Lebensführung und dem Respekt vor Fleiß und harter Arbeit.

Wo sie sich niederließen, dort entstanden auch deutsche Zeitungen. Zu Beginn des 19. Jahrhunderts gab es in Pennsylvania schon etwa 25 solche Blätter, meistens wöchentliche und diese erschienen in den fortschrittlichen Städten Reading, Allentown, Lancaster, Doylestown, Easton und Lebanon. Philadelphia war bis 1850 noch immer das Ziel der Schiffe gewesen, die deutsche Auswanderer ins Land brachten. Besonders qualifizierte Handwerker und Wissenschaftler blieben in dieser Stadt und gründeten ihre Industriebetriebe und Fabriken. Körner nennt u. a. Wilhelm Horstmann, der Goldlitze herstellte, Heinrich Düring aus Mecklenburg, Gottfried Freitag aus Bremen, Friedrich Klein aus Sachsen, Ludwig Krummhaaar aus Leipzig und Friedrich Lenning und Georg Rosengarten, die gewaltige Chemiewerke anlegten. Joseph Ripkow betrieb in Monajunk eine große Textilienfabrik. Alle trugen sie erheblich zum wirtschaftlichen Aufschwung der Region bei.

In Philadelphia entwickelte sich ebenfalls das Zentrum des deutschen Druckereigewerbes, wo die Bücher der deutschen Autoren hergestellt und verkauft wurden. Dazu gehörten auch zwei Dutzend deutsche Zeitungen, von denen manche nur für kurze Zeit überlebten. Druckereien in deutschem Besitz gab es in Pennsylvania schon für beinahe hundert Jahre. Körner erwähnt Johann Ritter, der neben seiner Druckerei auch einen Buchladen betrieb. Er führte hauptsächlich religiöse Bücher, aber auch ein bescheidenes Angebot von medizinischen und technischen Schriften und sogar Werke deutscher Klassiker. Erst 1832 mit Johann Georg Wesselhöfts Ankunft in Philadelphia kam mehr Schwung und Auswahl in den Buchhandel.

Körner bemerkte, dass zu dieser Zeit kaum eine deutsche Familie mit einigermaßen ordentlicher Schulbildung auswanderte, ohne eine stattliche Anzahl von Büchern mitzunehmen. Er nennt hier die Lebensgeschichte des Johannes Bücklers (Schinderhannes), Heines Pariser Reisebilder, Schillers Korrespondenz mit Goethe, das Brockhaus- Konversationslexikon, Grimms Märchen, Shakespeares deutsche Übersetzungen und die Werke von Schopenhauer, Tieck, Friedrich Schlegel und Oehlenschläger, die hierdurch ihren Weg nach Amerika fanden. Körner erwähnt das homöopathische Heilverfahren, das damals gerade von deutschen Ärzten in Philadelphia eingeführt wurde. Dr. Konstantin Hering aus Oschatz gilt heute als der Vater der amerikanischen Homöopathie.

Ein anderes Kapitel befasst sich mit der humanitären deutschen Gesellschaft von Pennsylvania zur Unterstützung von Auswanderern, die schon 1764 in Philadelphia gegründet worden ist. Um diese Zeit wurden noch Einwanderer ins Land gelassen, die nicht ihre Überfahrt bezahlt hatten und sich stattdessen für eine Zeitspanne als Arbeitskräfte verpflichten mussten. Solche Personen wurden oft schamlos ausgenutzt und wie Sklaven behandelt. Es konnte hierbei vorkommen, dass die Eltern von ihren Kindern getrennt wurden. Eine andere Vereinigung der deutschen Bürger war eine Siedlungsgesellschaft zur Schaffung von Kolonien für Neuankömmlinge im Westen des Landes. Diese schuf u. a. die deutsche Ortschaft Herrmann in Missouri.

Die ersten Siedler in Amerika waren in sentimentaler Hinsicht kaum mit ihrem Grund und Boden verbunden gewesen. Sie pflanzten oft nur für die Bedürfnisse ihrer Familie oder beschäftigten sich mit Jagd und Fischfang. Oft verließ man seine Bleibe und suchte sich einen anderen Platz; Land war ja genug vorhanden. Die Deutschen dagegen zeigten eine stärkere Neigung, an ihrem erworbenen Besitz festzuhalten, meinte Körner. Es war der Grund dafür, dass sie besonders in Pennsylvania eine feste Verbindung mit ihrer neuen Heimat eingingen. Sie beschäftigten sich mit fachgerechten und erprobten Ackerbaumethoden und bauten größere Scheunen als ihre Nachbarn.

Ihr Beispiel fand oft Nachahmung und so trugen sie wesentlich zur Fortentwicklung der amerikanischen Landwirtschaft bei. Wollte man nicht einmal Deutsch als offizielle Sprache für Pennsylvania einführen? Darüber ist schon viel geschrieben worden. Die Tatsache war nur, dass man die neu erlassenen Gesetze des Parlaments neben Englisch auch in Deutsch gedruckt haben wollte. So ist es wirklich geschehen. Als die betreffende Generation aber besser Englisch gelernt hatte, so kam dieser Brauch wieder in Vergessenheit.

Der Abschnitt über New York erwähnt die Deutsche Gesellschaft der Stadt, die sich ähnlich wie in Philadelphia mit humanitären Aufgaben beschäftigte. Zu ihren ersten Präsidenten gehörten General Friedrich Wilhelm von Steuben und Johann Jakob Astor. Eine der ausführlichsten Biographien beschreibt das abenteuerliche Leben Johann Jakob Astors. Andere berühmte New Yorker, die Körner erwähnt, sind der Bankier August Belmont, Pastor Friedrich Wilhelm Geisenheiner und die Journalisten Oswald Ottendörfer und Wilhelm von Eichthal. Die beiden deutschen Künstler Albert Bierstadt und Thomas Nast gehören ebenfalls zu den New Yorkern, waren aber schon im Kindesalter nach Amerika gekommen. Bierstadt, geboren in Solingen, wurde bekannt für seine Landschaftsgemälde und galt als einer der bedeutendsten amerikanischen Maler. Thomas Nast aus Landau in der Pfalz war der Autor der Illustrationen in den Magazinen und Zeitungen. Er schuf u. a. den amerikanischen "Santa Claus", den symbolischen Elefanten der Republikaner und den Esel der Demokraten.

So berichtet das kleine Buch auf 254 Seiten über die Deutschen in Pennsylvania, New York, New Jersey und New England. Das Quellenverzeichnis im Anhang gibt Auskunft über die zeitgenössischen Schriften und Zeitungsberichte, die Körner für seine Ermittlungen herangezogen hat. Mit zahlreichen Fußnoten ergänzte Dr. Tolzmann die Ausführungen Körners durch Hinweise auf neuere Schriften, wo das gleiche Thema behandelt wird. Im letzten Abschnitt zieht Tolzmann Schlussfolgerungen mit statistischem Material über den Umfang der deutschen Besiedlung in den jeweiligen Staaten. Gustav Körners eigene Nachträge informieren über die Deutschen in der Kolonialzeit und die deutsche Einwanderung während des neunzehnten Jahrhunderts. Ein alphabetisches Inhaltsverzeichnis macht diese kleine Schrift zu einem handlichen Nachschlagewerk. Erhältlich ist dieses in englisch geschriebene Buch mit dem Titel "The German Element in the Northeast" durch die Clearfield Genealogical Company, Baltimore, Maryland. www.genealogical.com

Source: Nord-Amerikanische Wochenpost. (25 December 2010).